Psychologie: Was ist Glück?

Glückliche Menschen sind gesünder und leben länger. Stimmt das? Wie sich Zufriedenheit und Gesundheit gegenseitig beeinflussen

 

Glücklich lachende Frau
Es sind diese Augenblicke, in denen alles stimmt. Beim Schwingen im Tiefschnee, beim Blick auf ein traumhaftes Bergpanorama, beim harmonischen Sonntagsfrühstück mit der Familie. Diese Momente bezeichnen wir als Glück. Oder zumindest viele von uns. Jeder definiert persönliches Glück anders – wie auch eine Umfrage im Team der Apotheken Umschau zeigt. Glücklich mache es, seine Gesundheit lange zu erhalten, lautete eine Antwort. Eine andere: „Kuscheln“. Und was macht Sie glücklich?

Die Wissenschaft unterscheidet drei generelle Formen von Glück: einzelne Momente, zum Beispiel jemanden am Geburtstag zu beschenken. Langfristige Zufriedenheit, etwa über beruflichen Erfolg oder eine glückliche Ehe. Und die Erleichterung, die man empfindet, wenn eine Gefahr gebannt ist oder eine schwierige Aufgabe bewältigt wurde. Mithilfe bildgebender Verfahren lassen sich diese drei Gefühle sogar in unserem Gehirn voneinander abgrenzen. Wenngleich sie in der Praxis verwoben sind, weist jede Glücksform doch bestimmte Aktivitätsmuster auf, an der auch jeweils andere Botenstoffe beteiligt sind.

Optimisten leben länger

Eine weitere spannende Erkenntnis der Forschung: Glückliche Menschen sind gesünder und leben länger. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen den Zusammenhang. Eine der wichtigsten: eine amerikanische Studie mit 180 Nonnen, die bis zu 70 Jahre lang wissenschaftlich begleitet wurden. Ein Kloster eignet sich für solch eine Erhebung besonders gut, weil die äußeren Einflüsse gering sind und sich Alltag und Lebensstil der Teilnehmerinnen kaum unterscheiden. Fazit der Studie: Die Optimistinnen unter den Nonnen lebten im Schnitt sieben Jahre länger.

Im vergangenen November wurde dieser Zusammenhang in einer repräsentativen Untersuchung für die US-Bevölkerung bestätigt. Gesunde Menschen, die sich als sehr glücklich bezeichneten, hatten ein um 14 Prozent geringeres Risiko, im Studienzeitraum zu sterben – verglichen mit den Unglücklichen. Und eine Analyse der Harvard-Universität ergab, dass zufriedene Personen seltener einen Herzinfarkt erleiden.

Nicht auf momentanem Glück ausruhen

Aber warum verbreitet sich dann seit Kurzem im Internet die Nachricht, Glückliche lebten doch nicht länger? Die Meldung beruht ebenfalls auf einer Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Lancet. Knapp 720 000 Britinnen im Alter von 50 bis 69 Jahren nahmen daran teil. Alle Frauen waren anfangs gefragt worden, wie glücklich sie mit ihrem Leben seien. Nach zehn Jahren verglichen die Studienleiter die Sterbedaten – und stellten fest: Zwischen Unglücklichen und Glücklichen gibt es keine Unterschiede. Alles Quatsch also mit der Verbindung von Glück und Gesundheit?

Nein. Denn zum einen überprüft die Studie lediglich, ob das Glück zu einem einzigen Zeitpunkt langfristige Effekte hat. Und zum anderen wurden Faktoren wie ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung, eine stabile Partnerschaft und die Teilnahme am sozialen Leben bewusst ausgeblendet. Der Fokus lag auf dem puren Glück allein.

Schicksalsschläge mindern das Glück

Komplizierter stellt sich der Zusammenhang von Glück und Gesundheit dar, wenn jemand bereits krank ist. Denn selbstverständlich macht es unglücklich, eine schwere Krankheit oder Verletzung zu erleiden. Zwar erreichen die meisten Betroffenen nach einiger Zeit wieder etwa das gleiche Maß an Zufriedenheit, das sie vorher hatten. Das zeigen unter anderem Studien mit Menschen, die durch eine Rückenmarksverletzung querschnittsgelähmt wurden. Doch rund jeder Fünfte erholt sich von dem Schicksalsschlag nicht.

Das kann an finanziellen Einbußen und am Verlust von Freundschaften liegen. „Doch noch viel entscheidender sind die eigene Persönlichkeit und Grundhaltung“, erklärt Perrig-Chiello, die diese Zusammenhänge erforscht. Wer zum Beispiel schon immer alles schwergenommen hat, wird große Mühe haben, mit den Beeinträchtigungen und Verlusten zurechtzukommen.

„Lebenszufriedenheit ist eine Gewohnheit, die sich besonders schwer ändern lässt. Denn unsere Befindlichkeit ist tief in den Basalganglien unseres Gehirns verankert“, erklärt Professor Gerhard Roth, Neurowissenschaftler und Persönlichkeitsforscher an der Universität Bremen. Zudem wird unsere Grundstimmung zu 30 bis 50 Prozent von den Erbanlagen und von frühkindlichen Erfahrungen geprägt. Das zeigen Vergleiche zwischen nahen Angehörigen.

Wenn das Unglücksgefühl selbst zur Krankheit wird

Nicht immer lässt sich sagen, ob eine generelle Unzufriedenheit die Erkrankung begünstigt hat oder ob jemand unzufrieden ist, weil er krank ist. Ein Beispiel: chronische Schmerzen. Häufig verursacht seelisches Leiden die körperlichen Beschwerden. Umgekehrt befeuert die ständige Pein die psychischen Probleme. „Und rund 80 Prozent aller depressiven Menschen haben eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit“, sagt der Experte Gerhard Roth.

Bei Depressionen wird das Unglücksgefühl selbst zur Krankheit und löst wiederum andere Leiden aus. Blutgefäße werden geschädigt, das Herzinfarkt-Risiko der Patienten steigt. Der Grund: Im Gehirn depressiver Menschen ist die Balance von sogenannten Glückshormonen wie Serotonin und Dopamin krankhaft verändert. Trotzdem sind Glücksgefühle keine reine Hirnsache.

Das Glück stärken

Worauf kommt es an, um zufriedener zu werden und es auch langfristig zu bleiben? Experten der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft haben „Glücksfaktoren“ zusammengetragen, für die es gute wissenschaftliche Belege gibt.

 

1. Gute Beziehungen zu Angehörigen, Freunden und anderen pflegen

2. Sich realistische Ziele setzen und sie ansteuern

3. Problemen nicht aus dem Weg gehen

4. Schicksalsschläge als Chance dafür nutzen, das eigene Selbst zu stärken

5. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken

6. Auch bei extrem belastenden Ereignissen die langfristige Perspektive im Blick behalten

7. Gefühle und Bedürfnisse ernst nehmen

Glücksgefühle verändern sich im Laufe des Lebens

Die Furcht, dass uns Glücksgefühle über die Jahrzehnte hinweg verloren gehen, ist unbegründet. Sie verändern sich nur. Gesundheitsforscher Tobias Esch nennt die Entwicklung einen natürlichen Reifungsprozess: „Das Glück verfärbt sich im Lauf des Lebens hin zum allmählichen Ankommen und zur inneren Ruhe.“ Flüchtige Momente sind nicht mehr so wichtig.

Vergleiche von Menschen unterschiedlichen Alters haben übrigens etwas Verblüffendes zutage gefördert: Ab etwa 60 Jahren steigt die durchschnittliche Zufriedenheit. Und das, obwohl die Belastungen durch Schicksalsschläge, körperliche und geistige Einbußen und Krankheiten zunehmen.

(Quelle: Apotheken-Umschau, Dr. Achim G. Schneider, aktualisiert am 20.03.2017, Bild: ddp Images/Picture Press)